Boah, ich war ja eigentlich in der Klinik und habe einige neue Erkenntnisse mitnehmen dürfen, aber mein Entzug* überschattet das alles noch ein wenig…
In den letzten Wochen bin ich überraschend schnell ausgetickt, wenn was nicht so funktioniert hat, wie ich es gerne wollte. Dinge sind geflogen, Türen wurden geknallt, Wände wurden geboxt (aua) und gleich danach hab ich mich furchtbar gefühlt. Ich hab mich nicht wieder erkannt und fand mein Verhalten unausstehlich. Wann immer ich dieses Kribbeln und die innere Unruhe verspürt habe, wurde mein Geduldsfaden noch kürzer.
Dem voraus ging eine lange Tränenphase. Ich musste oft weinen, als gäbe es kein Morgen mehr. So nah am Wasser gebaut war ich lange nicht mehr.
Wenn ich joggen war, um ein bisschen Energien loszuwerden, habe ich mir dann im Laufrhythmus mantraartig „es geht vorbei“ gesagt, auch wenn mir der Glaube daran oft schwer fiel. Aber jetzt kann ich sagen, dass ich recht hatte. Es wurde weniger und ich fühle mich immer stabiler. Ganz fertig kalibriert bin ich wohl noch nicht, aber nach sechs Wochen sind wir schätzungsweise so bei 80% angelangt. Ich bereue nach wie vor nicht, das Medikament abgesetzt zu haben.
Jetzt muss ich ganz achtsam schauen, wie es mir in den nächsten Wochen so ergeht. Brauche ich ein neues Medikament, oder werde ich es eine Zeit lang ohne versuchen? Ich werde mich definitiv nicht quälen, sollte die Depression wieder hochkriechen. Dafür sind diese Medikamente ja da. Aber so lange ich mich gut fühle, werde ich keine frühzeitigen Experimente machen.
# *ich schreibe hier „Entzug“, was terminologisch falsch ist, da Antidepressiva aus medizinischer Sicht nicht abhängig machen. Korrekter wäre das Wort „Absetzsymptome“. Ich hatte zwar keine „Cravings“ nach meinen Medikamenten, als ich sie absetzte, was eigentlich ein Merkmal für einen abhängig machenden Suchtstoff wäre. Jedoch haben mein Körper und mein Geist schon sehr unter den Absetzerscheinungen gelitten und nicht selten habe ich überlegt, ob ich doch wieder zu den Tabletten greifen soll, in der Hoffnung, die Symptome somit lindern zu können.